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  • AutorenbildSilvia Dober

Possessivpronomen


Ellie und Theo, zwei halbstarke Rabauken. Er ist drei, sie wird es in näherer Zukunft, und beide verstehen sich super. Was sie an übersprudelndem Antrieb in petto hat, gleicht er durch stoische Ruhe aus. Meistens. Manchmal steht er auch nur dumm in der Gegend rum, dann kommt sie von hinten und beißt ihm begeistert in die Keule. Weil es ihr Spaß macht. Eine Mischung aus Spielaufforderung und Ansage. Man könnte das auch netter machen, ist nur nicht ihr Naturell. Nett sein schon, nur die inneren Zügel sind oft …recht lang. Die beiden toben ausgelassen durchs Haus, den Garten oder bei Spaziergängen. Zwei junge Hunde, die sich des Lebens erfreuen. Was will man als Halter mehr?

Nicht nur das körpernahe Spiel ist Thema, auch Balgen um einen Gegenstand macht Spaß. Da geht es um Haben, Behalten, Bunkern, Mopsen und Imponiertragen, wenn man das Objekt der Begierde akquirieren konnte. Auch Hunde haben ein Gefühl für Possessivpronomen: Mein Korb. Deine Mahlzeit. Unser Zuhause. Mein Lieblingsmensch (muss nicht gleichzeitig der Chef sein, bietet sich jedoch an).

Eine gewisse Zugehörigkeit spielt auch für das Seelenleben des Hundes eine Rolle. Nicht nur eine deutliche Bezugsperson, die sich fürsorglich, liebend und artgerecht um den Hund kümmert, muss sein.

Vierbeiner brauchen ebenso die Option, daß sie sich in einen Bereich zurückziehen können, der „ihrer“ ist. Wo sie für sich sein und mal abschalten können.

Deswegen ist es wichtig, daß ein Hund, der sich in seinen Korb verpieselt hat, dort auch in Ruhe gelassen wird. Egal, wie sehr das Kind mit ihm spielen will oder der Besuch einen extensiven Streichelflash hat. Besteht für mich nicht die Möglichkeit des Rückzuges, wenn ich den Kanal voll habe, dann geht mir das auf den Sack. Und ich werde kiwig. Dabei verkürzt sich die Lunte deutlich. Man wird genervt, versucht zwischen sich und dem Spektakel etwas Raum zu bringen. Aber mach mal, wenn dir jemand Buntstifte unter das Halsband popelt, sich kleine Finger durch den Riechkolben ins Hirn schieben oder der Besuch mit forscher Hand alles gegen den Strich krault, was er in die Gichtgriffel kriegt.

Weg… kann Hund auch nicht, denn das Kind hockt schon im Korb mit drin. Wenn vielleicht auch noch verhalten, aber irgendwie muss ich das Menschlein warnen, daß ich jetzt echt nicht mehr kann. Ich will nur ein kleines Nickerchen machen. Nur fünf Minuten. Bitte. Meine Menschen kriegen die nonverbale Kommunikation nicht mit. Ich winke mir hier mit einer Magnesium-Fackel den Vorderlauf aus dem Schultergelenk, aber, wenn sie nicht gucken, was soll ich machen. Weg kann ich auch schlecht, den der Familiengnom hat sich voll auf mich draufgewullakt.

So geht Schnuffi in den Vibrationsalarm, weil der Halter im Flugmodus dümpelt.

Und sieh mal einer an, schon hat man alle Aufmerksamkeit der Welt, weil der Sozialpartner denkt, man will den rotzfrechen Stoppelhopser lege canem einnorden.

Konfliktsignale und Calming Signals (Gähnen, Blinzeln, Züngeln, Distanz vergrößern, Blick abwenden, Kopf weg, Körper weg Hinsetzen, Vorderpfote heben, Ohrenansatz geht zurück, Buckel machen, liegen und Bein hoch) …nix funktioniert. Ich brauche echt ne Pause, mein Hirn läuft auf Notstrom.

Leisestens wird geknurrt und nahtlos kriegt der Hund Ärger, weil er das arme kleine Kind bedroht. Die eigentliche Bedrohung, welche der Hund erlebt, wird vernachlässigt.

Schließlich hat das Kind den Hund nicht angeknurrt, sondern wollte ihn nur lieeeeeb haben. Ganz dolle…sofort…SOFFOART!! Wie bei vielen anderen Dingen auch, kommt es auf die Perspektive an. Und auf den Respekt, den man der anderen Lebensform erweist.

Zurück zu Bims und Birne, alias Ellie und Theo. Beide haben mit einem Stück Holz einige Zeit Vollgas gegeben und jeder war mal Besitzer des heiligen Grals. Nun sollte es raus in den Wald. „Treppe“ ist der Start der Handlungskette, die Kötis setzen sich auf die unteren Stufen, damit sie ihr Klimbim angezogen bekommen können und sich die Regierung dabei nicht so bücken muss. Die Wauzis haben ihre Strapse an und warten. Die Regierung zieht sich Jacke und Schuhe an.

Heimlich steht Theo auf, linst rüber, falls Mensch was zu möppeln hat, und schleicht behende ins Wohnzimmer. Ellie sitzt wie gemalt auf der Treppe und wartet aufs Ausrücken.

Ich nehme den Schlüssel vom Brett …nun läuft die Zeit für Theo …allein zurückbleiben ist megadoof. Mit dem Holz im Fang tapert er an mir und Ellie vorbei, auf das Kissenhaufen-Nachtlager (Monsieur schläft gern wie eine Sultan) im ersten Stock zu, und verbuddelt die Beute. Stolzgeschwellter Brust und tendenziell erleichtert kommt er die Treppe runter, setzt sich zu Ellie und wartet in Aufbruchsstimmung.

Wir gehen los und kommen irgendwann wieder. Die Hundis werden ausgezogen und dürfen nacheinander in den Vorflur (Schleusenfunktion). Die Tür zum Wohnbereich wird geöffnet. Blickkontakt zur Legislative, Freigabe und dann dürfen die beiden Rabauken hinein. Während Theo in die Küche schlendert, zündet Ellie den Turbo, donnert die Treppe hoch und geht in Theos Supermarktbunker shoppen. Heute im Angebot: nassgelüllertes Holz mit Fusselfrisur.

Sie kommt mit dem Holz ins Wohnzimmer, dreht ne Ehrenrunde, damit es auch ja jeder sieht. Dann wird es kurz angespielt. Gefühlte zehn Sekunden später lässt sie es vor sich liegen, knallt sich als Statement daneben und schlummert weg. So macht man selbst nach dem Besuch des Sandmännchens seinem Artgenossen gegenüber ein Statement, daß keiner Gegenfrage bedarf. Das Holz …ist meins. Haben ist besser, als brauchen. Basta.

Aus der menschlichen Perspektive könnte man sagen, wie gemein es ist, daß Ellie den kleinen Theo beklaut hat. Wo er sich doch solch eine Mühe mit dem Verstecken gegeben hat. Vorher noch so hart für den ollen Knüppel gekämpft hat. Und klauen….das hat einem doch schon die Oma untersagt!

Aus der anderen Perspektive ist es jedoch etwas anders. Wenn man etwas liegen lässt, hat man kein Interesse mehr daran. Wenn Theos Herz unumstößlich an dem Teil hinge, hätte er sie auf der Treppe schon überholen und ihr den Weg zur Schatzkammer versperren können. Ebenso hätte es eine kleine Diskussion zum Thema Faustrecht gegeben.

Packt einen nun das Gefühl der Gleichberechtigung und entwendet Ellie den Stock, um ihn Theo zurück zu geben, dann mischt man sich in eine Unterhaltung ein, für deren Stuhlkreis man keine Sitzmöglichkeit zugewiesen bekommen hat. Die Diskussion, im schlimmsten Fall in Abwesenheit (ab und zu gehe ich auch mal arbeiten) kann wieder aufflammen, vielleicht intensiver als vorher, denn die Beute wurde extern verteilt und kann so auch noch zu allem Übel eine neue Gewichtung bekommen. Muss nicht, aber kann.

So klären sie ihren Spiel-Disput in meiner Anwesenheit selbstständig und ich habe ein Auge drauf. Einschreiten ist nicht das Ziel, lediglich eine Option. Konflikte selber lösen können, stärkt nicht nur das Ego, es sorgt auch für einen kommunikativen Austausch in der Gruppe. Manchmal ist einer eben ne Runde beleidigt und der andere feuert ne Konfetti-Kanone ab. Beim nächsten Mal kann es schon ganz anders aussehen. Am Ende jedoch versteht man sich besser, als vorher, kann sein Gegenüber besser einschätzen und wächst als Gruppe zusammen.


Silvia Dober





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